Jugendliche verbringen wieder mehr Zeit am Smartphone und fühlen sich belastet

Von Gudrun Springer, 20. Jänner 2025, 15:21 aus derStandard

Mädchen verbringen mehr Zeit in sozialen Netzwerken als Buben. Sich dort aufzuhalten kann sich belastend auf die Psyche auswirken.

Schülerinnen und Schüler schauen laut Befragung im Schnitt 221 Minuten am Tag auf ihr Handy. Kriege und Inflation haben von Covid ausgelöste Belastungen abgelöst

Wie es Kindern und Jugendlichen psychisch geht, wird in Österreich nur fragmentarisch erhoben. Einen der wenigen tieferen Einblicke, wenn auch nicht repräsentativ, liefert die Mental-Health-Days-Studie. 14.500 Jugendliche wurden im Jahr 2024 dabei zu ihrem psychischen Befinden befragt; sie fand nun das zweite Mal statt. Erhoben werden im Rahmen der Studie die psychische Gesundheit und das Medienverhalten von Schülerinnen und Schülern ab Sekundarstufe eins (im Schnitt 14 Jahre alt).

Der Befragung zufolge bezeichnen sich zwar fast Dreiviertel der Jugendlichen mit ihrem Leben zufrieden, allerdings zeigten sich offenbar Probleme, wenn konkret nachgefragt wurde. So gaben bei der Befragung 86 Prozent an, sich in den vergangenen zwei Wochen niedergeschlagen oder hoffnungslos gefühlt zu haben, sagte Tobias Dienlin vom Publizistik-Institut an der Universität Wien bei der Präsentation der Befragungsergebnisse am Montag. 28 Prozent hatten zumindest an einzelnen Tagen bis hin zu häufig suizidale Gedanken oder Gedanken daran, sich selbst Leid zuzufügen.

Man sehe gleichzeitig eine "durchaus überraschende Zunahme" bei der Mediennutzung, sagte Dienlin als einer der Studienautoren. Schülerinnen und Schüler würden im Schnitt 221 Minuten am Tag mit ihrem Smartphone verbringen, zeigte die Befragung. Dieser Wert steige leicht, wenn man die Daten aus dem Vorjahr heranzieht. Damals lag der Schnitt bei 213 Minuten Smartphonenutzung am Tag. Wobei es Geschlechterunterschiede gibt: Mädchen verbringen offenbar mehr Zeit in den sozialen Netzwerken, Buben mit Videospielen und Streaming.

Tabelle: Gudrun Springer - Quelle: Mental Health Days Studie 2024 / Tobias Dienlin (Uni Wien)

Die Studienautoren sind vorsichtig damit, kausale Zusammenhänge herzustellen, sehen aber Indizien dafür, dass die Nutzung von Social Media und Streaming-Diensten der psychischen Befindlichkeit schaden, während Messengerdienste, Online-Spiele oder der Konsum von Nachrichten im Großen und Ganzen die Lebenszufriedenheit nicht beeinträchtigen dürften.

Bedrückende Kriege und Klimakrise

Internationale Studien zeigen, dass es zwar Hinweise auf eine leichte Besserung psychischer Belastungen nach der Pandemie gebe, sie aber über dem Niveau vor der Pandemie bleibe, skizzierte Paul Plener, Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Wien und ebenfalls einer der Autoren der Mental-Health-Studie. Dass die Belastungen höher sind, zeige sich auch in einer so nicht erwarteten Zunahme bei der Verschreibung von Psychopharmaka an Jugendliche, auch in Österreich. Als Ursachen machte Plener Krieg und Terrorismus, Inflation und Armut sowie die Klimakrise aus. Covid sei "kein Thema" mehr.

Bei den Befragten handelte es sich um Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mental Health Days, einer Initiative vom Verein zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien, die an verschiedenen Schultypen in Österreich stattfindet. Bei den Workshops geht es zum Beispiel um Themen wie Mobbing, Essstörungen, Handysucht und Suizidalität und immer auch darum, wann man Hilfe suchen sollte und wo man diese bekommen kann.

500 Schulen auf der Warteliste

Der Initiator der Mental Health Days, Golli Marboe, fordert von der Politik, das Projekt über mehrere Jahre abzusichern und seinen Verein nicht jedes Jahr zum Bittsteller werden zu lassen. Derzeit habe man 50 bis 100 Mental-Health-Tage ausfinanziert, es stünden aber noch 500 Schulen auf der Warteliste. Insgesamt seien bereits rund 130.000 Schülerinnen und Schüler erreicht worden, aber das Interesse sei enorm. Auch eine Ausweitung auf den Elementarbereich mit einem adaptierten Angebot habe man bereits angedacht, allerdings müsse man sich aufgrund der Mittel derzeit auf die bereits teilnehmenden Schultypen beschränken.

Paul Freysinger von der Bundesjugendvertretung unterstrich, wie wichtig es sei, an den Schulen über psychische Probleme zu reden. Die rasche Hilfe durch das Projekt "Gesund aus der Krise" sei gut gewesen, es brauche aber mehr langfristige Hilfsangebote in der Regelversorgung. Die Bundesjugendvertretung fordert zudem einen Psychologen bzw. eine Psychologin pro 1000 Schüler sowie einen Schulsozialarbeiter je Schulstandort – sonst drohe "ein Flächenbrand, der nur mehr sehr schwierig zu stoppen ist", warnte Freysinger.

Von Gudrun Springer, 20. Jänner 2025, 15:21 aus derStandard

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